Wir danken der BürgerInitiative gegen Fluglärm Raunheim (BIFR) für diesen Artikel.
Ein Bericht über LOG und Trug
Das Bündnis für eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt hat seinen ersten Monitoring-Bericht für das Betriebsjahr 2017 und Prognosen für die Jahre 2018 und 2020 vorgelegt. Die Ergebnisse sind teils recht merkwürdig.
Die sog. Lärmobergrenze bezieht sich auf die Grösse zweier Flächen innerhalb von Isophonen, die die Hoch- und Höchst-Betroffenen umfassen sollen. Je grösser diese Flächen sind, desto lauter ist es in der Region. Der Bericht gibt diese Flächen für 2017 mit rund 17.000 ha (55 dB(A)) und 7.000 ha (60 dB(A)) an. Wir hatten schon bei der Vorstellung des Modells dieser ‚Obergrenze‘ darauf hingewiesen, dass eine solche Flächenangabe eine sehr begrenzte Aussagekraft hat. Abstrus wird es aber, wenn man sieht, dass diese Werte um 11,6% bzw. 10,5% niedriger sind als die bei der Modellvorstellung angegebenen Werte für das Jahr 2015. Hat der Lärm tatsächlich abgenommen, obwohl die Zahl der Flugbewegungen zugenommen hat?
Das wagen natürlich nicht mal die Berichts-Verfasser zu behaupten und erläutern ganz verschämt auf der letzten Textseite ihres Berichts, dass das im Wesentlichen an den Abschlägen liegt, die nun erstmals für die Lärmwerte der Flugzeugtypen eingeführt wurden, die laut Zertifizierung unterhalb des Lärmwertes der Klasse liegen, in die sie sonst eingestuft würden. Und ausserdem habe die Zahl der Flugzeuge der A320-Familie, die mit WirbelgeneratorenW ausgestattet sind (und dafür auch einen Abschlag erhalten), zugenommen.
Tendenziell sollen der Lärm und damit die Flächen aber doch wieder zunehmen; 2018 um 7,6% und 2020 um 10,2% gegenüber 2017. Die Werte, die mal für 2015 errechnet wurden, werden danach aber auch für 2020 noch nicht ganz erreicht.
Was sagt das nun tatsächlich aus? Zum Ersten zeigt die Differenz zwischen den Werten für 2015 und 2017, wieviel Willkür in der Berechnung dieser Flächen steckt. Der tatsächlich vorhandene und gemessene Lärm wird nicht berücksichtigt, es geht um reine Rechenmodelle, deren Annahmen teilweise extrem unsicher sind. Je nachdem, wie man die Ausgangswerte wählt, unterscheidet sich das Endergebnis deutlich. Und da die Vereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass diese Ausgangswerte angepasst werden können, ist darin schon eine Manipulationsmöglichkeit angelegt.
Zum Zweiten wird deutlich, dass die Grenze, die in der Vereinbarung absolut festgelegt wurde, viel mehr Lärmzuwachs zulässt, als damals behauptet wurde. Dadurch, dass der Ist-Zustand 2015 mit relativ hohen Werten abgeschätzt wurde, wirkte der Abstand zur Grenze weniger groß. Nur ein Jahr später wird deutlich, dass noch mehrere Jahre Wachstum möglich sind, bevor der angebliche Ist-Zustand überhaupt erreicht wird, und die Grenze rückt plötzlich in viel weitere Ferne. In Zahlen: gegenüber dem ‚Ist-Zustand 2015‘ hätten die Flächen bis zur ‚Obergrenze‘ noch um 15,4% bzw. 17,3% zunehmen können, gegenüber dem neuen ‚Basiswert‘ 2017 können sie noch um 27,6% bzw. 30,9% zunehmen.
Und man muss es immer wieder betonen: diese Zahlen sind reine Rechengrössen. Wenn die Grenze für die berechneten Werte in weitere Ferne rückt, dann heisst das nicht, dass der Ist-Zustand irgendwie leiser gewesen wäre, sondern nur, dass der Lärm noch mehr zunehmen darf.
Eine besondere Betrachtung hat noch die Einstufung der Flugzeuge mit den sog. ‚Wirbelgeneratoren‘ verdient. Dieses Stück Blech, das an die Tanköffnungen unter den Tragflächen der A320-Familie geschraubt wird, um einen Konstruktionsfehler zu beseitigen, der jahrelang zu einem lauten Pfeifton im Landeanflug geführt hatte, senkt den Lärm im Landeanflug laut dem Monitoring-Bericht des UNH in einer Entfernung von 10 – 20 km vom Aufsetzpunkt, je nach Flugzeugtyp und Anflugverfahren. In kleineren Entfernungen ist die Wirkung unbestritten gleich Null. Trotzdem wird der Abschlag auf den Lärm für die Flugzeuge, die damit ausgerüstet sind, für den gesamten Landeanflug angerechnet. Das hat zur Folge, dass ein Einsatz solcher Flugzeuge formal auch die Fläche der Höchstbelastung reduziert, obwohl er dort absolut keine Wirkung hat.
Das darf man wohl eindeutig Betrug nennen, und seine Auswirkungen auf die Rechenergebnisse sind erheblich.
Angesichts all dieser Kritikpunkte ist es fast kaum noch erwähnenswert, dass auch die Prognose der Werte für 2020 im Grunde nichts wert ist, weil die zugrunde gelegten Wachstumszahlen völlig aus der Luft gegriffen sind. Im Kern allerdings dürfte die Aussage richtig sein: es wird noch lauter, und die ‚Lärmobergrenze‘ tut absolut nichts, um das zu verhindern.
Die Beteiligten wissen natürlich, dass dieser Bericht keinerlei Grund zum Jubeln, aber viel Anlass zu massiver Kritik enthält. Sie überlassen es daher dem Wirtschaftsministerium, den Bericht perPressemitteilung an die Öffentlichkeit zu bringen. Auch Minister Al-Wazir ist natürlich klar, dass er dafür nicht auf Beifall hoffen kann, und wohl deshalb stellt er eine Trivialität an den Anfang, deren Neuigkeitswert gleich Null ist: „Die Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen ist im vergangenen Jahr eingehalten worden“. Natürlich weiss jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, dass es unmöglich gewesen wäre, diese Pseudo-Grenze nicht einzuhalten, aber es erzielt den gewünschten Effekt. Soweit die lokalen Medien überhaupt darüber berichten, konzentrieren sie sich auf diesen Aspekt, und zitieren die entsprechende dpa-Meldung. Auch die Kritiker fixieren sich darauf.
Lediglich in der Frankfurter Rundschau haben wir einen Beitrag gefunden, der sich kritisch mit diesem Bericht auseinander setzt. Aber auch da wird lediglich allgemein darauf hingewiesen, dass die Lärmobergrenze die Zunahme des Lärms nicht begrenzt, ohne auf die Mechanismen einzugehen, mit denen das sichergestellt wird. Im Landtag haben CDU und Grüne nochmals perBeschluss bestätigt, dass sie zu diesem Betrugsmanöver stehen. Die SPD übt zwar Kritik, bestätigt aber gleichzeitig, dass sie weiter für den Flughafenausbau ist. Die Linksfraktion formuliert zwar die richtigen Forderungen, liefert aber auch keine fundierte Kritik dieses Berichts.
Alles in allem sehen wir uns in unserer Einschätzung bestätigt: diese ‚Lärmobergrenze‘ begrenzt nichts. Weder wird sie in absehbarer Zeit trotz wachsendem Fluglärm überhaupt erreicht, noch würde sie wirkungsvolle Mechanismen bereitstellen, um eine Begrenzung oder gar Reduzierung durchzusetzen. Sie wurde nur zu dem Zweck eingeführt, eine Auflage aus der Mediation zu erfüllen, ohne irgend eine Einschränkung für die Luftverkehrswirtschaft befürchten zu müssen.
Dass die CDU sich eines grünen Ministers bedienen kann, um diesen Auftrag zu erfüllen, sollten angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen alle, denen an einer Reduzierung des Fluglärms und einer Verhinderung der weiteren Zunahme des Luftverkehrs gelegen ist, aufmerksam zur Kenntnis nehmen.